Post by Henning WeedePost by Winfriedhttp://www.shortnews.de/id/661456/Strafbarkeit-wegen-unbemerkter-Unfallflucht-eingeschraenkt
Da steckt noch eine andere interessante Frage drin.
Da steht vor allem ausschließlich Unsinn drin [1]:
| Das Bundesverfassungsgericht hat einen Beschluss zur eingeschränkten
| Verantwortung wegen unbemerkter Unfallflucht gefasst. Wer unbemerkt
| einen Unfall verursacht und sich vom Unfallort entfernt, ist zukünftig
| wegen Unfallflucht nicht mehr zu belangen.
Das ist Quatsch, denn wer unbemerkt (!) einen Unfall verursacht,
handelt offensichtlich unvorsätzlich und kann sich daher keiner
Vorsatztat schuldig machen, auch keiner "Unfallflucht".
| Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes beruht auf einem
| Rechtstreit, als ein Autofahrer unbemerkt mit aufwirbelndem Rollsplitt
| ein anderes Auto beschädigte, weiterfuhr und später die Verantwortung
| für die Beschädigung nicht übernahm.
Und das ist der entscheidende Punkt, über den das BVerfG 2007
entschieden hat (auch wenn das in dem Text ohne Kenntnis der
Verfassungsgerichtsentscheidung nicht deutlich wird): Was ist, wenn
der Fahrer zwar den Unfall nicht bemerkt und sich daher unvorsätzlich
entfernt, ihm der Unfall aber später bekannt wird? Ist er dann -
nachträglich - verpflichtet, sich unverzüglich zu melden, wie er es
auch dann wäre, wenn er sich berechtigt oder entschuldigt (dringende
Erledigung, die ein Warten nicht zuläßt) entfernt hat?
Der BGH hatte das - nach langem Streit in Rechtsprechung und
Schrifttum - 1978 bejaht, das Bundesverfassungsgericht [2] sah darin
eine Überschreitung der Wortlautgrenze.
Die Fallgestaltung war folgende:
| Das Amtsgericht hatte den Beschwerdeführer wegen unerlaubten
| Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen
| verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis für die Dauer von noch neun
| Monaten entzogen. Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit
| seinem Pkw beim verbotswidrigen Überholen auf einem
| Baustellenabschnitt Rollsplitt aufgewirbelt hatte, wodurch an dem
| überholten Fahrzeug Schäden in Höhe von knapp 1.900 Euro entstanden.
| Der Geschädigte folgte dem Beschwerdeführer, bis dieser auf das
| Gelände einer ca. 500 Meter entfernten Tankstelle einbog, wo er ihn
| auf den Unfall aufmerksam machte. Der Beschwerdeführer bestritt den
| Überholvorgang und entfernte sich, ohne dem Geschädigten die
| Feststellung der in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgesehenen Angaben zu
| ermöglichen. Da dem Beschwerdeführer nicht nachgewiesen werden konnte,
| das schadensverursachende Ereignis bemerkt zu haben, schied nach
| Auffassung des Amtsgerichts eine Verurteilung gemäß § 142 Abs. 1 StGB
| aus. Da das unvorsätzliche Entfernen vom Unfallort dem berechtigten
| oder entschuldigten Entfernen gleichzusetzen sei und der
| Beschwerdeführer die erforderlichen Feststellungen nicht nachträglich
| ermöglicht habe, sah das Amtsgericht aber die Tatbestandsalternative
| des § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB als erfüllt an.
Der Fall hat also mit der - vergleichsweise trivialen - Fragestellung
des OP nichts zu tun.
| Begründet wurde der Beschluss der Verfassungsrichter mit dem
| Paragrafen 142 des Strafgesetzbuches.
Auch das ist natürlich Unsinn.
-thh
[1] Man kann durchaus Internetquellen verwenden; dann sollte man sie
aber zumindest kritisch prüfen, entweder auf ihren Inhalt oder
ihre Seriösität. Das ein Nachrichtenportal, in dem jeder Nutzer
als pseudonymer "Webreporter" selbst Nachrichten einstellen kann,
als Quelle jeglicher Seriösität entbehrt, sollte offensichtlich
sein. Auch sollte selbst eine wenig intensive Beschäftigung mit
strafrechtlichen Fragestellungen klarmachen, daß das BVerfG wohl
kaum 2007 entscheiden musste, das unvorsätzliches Handeln nicht
strafbar sein kann, es sei denn, ein solches ist gesondert
angeordnet, denn das ist nicht nur ein Grundprinzip unseres
Strafrechts, sondern steht auch in § 15 StGB.
[2] BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 19.03.2007
- 2 BvR 2273/06 -