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Post by Stefan SchmitzPost by Ralf . K u s m i e r zPost by Stefan SchmitzGut bezahlt und vom Staat angeboten. Was sollen das für Arbeitsplätze
sein, dass das nicht bloß eine andere Form von Sozialleistung wäre?
Normale Produktions- und Dienstleistungsarbeitsplätze: Gartenbau,
Autobau, Zeuxx verkaufen...
Der Staat soll sich also als Kfz-Hersteller und Einzelhändler
betätigen?
Z. B.
(Aber nur im Prinzip, bzw. eher ausnahmsweise - s. unten.)
Post by Stefan SchmitzPost by Ralf . K u s m i e r zPost by Stefan SchmitzUnd was würde die Inhaber von schlecht bezahlten privaten
Arbeitsplätzen davon abhalten, auf die gut bezahlten staatlichen zu
wechseln?
Nichts: Genau das wäre der Sinn der Sache. Damit würden die prekären
Arbeitsverhältnisse in der privaten Wirtschaft wie von Zauberhand
verschwinden.
Und stattdessen würde der Staat fast alleiniger Arbeitgeber. Dass
sowas der Volkswirtschaft nicht besonders gut bekommt, sollte sich
inzwischen rumgesprochen haben.
Also: bei mir nicht. Aber die Annahme ist sowieso nicht realitätsnah:
Zunächst einmal - der Staat kann unter sonst gleichen Bedingungen
jedem Privatunternehmen erfolgreich Konkurrenz machen, einfach
deswegen, weil er bessere Finanzierungskonditionen erhält. Damit ist
die Möglichkeit, daß sich der Staat unternehmerisch betätigt, eine für
die privaten Unternehmen ernstzunehmende Drohung.
Zudem kann der Staat die Löhne drücken: Während die privaten
Unternehmen Marktpreise für Arbeit zahlen müssen, kann der Staat sie
im Prinzip auf das Sozialhilfeniveau reduzieren. (Die Arbeit in einem
Staatsbetrieb ist per definitionem gemeinnützig: der Gewinn aus der
unternehmerischen Tätigkeit kommt der Allgemeinheit zugute.)
Der Staat hat also sowohl die Möglichkeit, das Lohnniveau anzuheben
und sich dadurch hinreichend viele Arbeitskräfte zu verschaffen, als
auch die, sich beim Lohnniveau einen Wettbewerbsvorteil zu
verschaffen, da er die Arbeitskräfte durch die Sozialhilfegesetze
zwangsverpflichten kann: Die müssen jede zumutbare Arbeit annehmen.
Was macht nun der Unternehmer, dem der Staat ein für seinen Geschmack
zu hohes Lohnniveau aufzwingt? (Niedrigere Löhne kann er nicht zahlen,
dann laufen ihm die Beschäftigten weg.) Der hat zwei Möglichkeiten:
Entweder stellt er den Betrieb ein, oder er hebt seine Löhne an. Im
ersten Fall entsteht kein volkswirtschaftlicher Schaden: Der Staat
übernimmt einfach die Betriebsmittel, Liegenschaften usw. aus der
Konkursmasse "für einen Euro", kann den unwilligen Unternehmer also
kalt enteignen. (Sollte der Unternehmer hingegen den Betrieb zu
irgendeinem wie auch immer gefundenen realistischen Preis an einen
anderen privaten Unternehmer übertragen, der ihn - und dann natürlich
auf dem höheren Lohnniveau - fortführen will, so spielt das für diese
Betrachtung keine Rolle: Es hat einfach der Eigentümer gewechselt, was
im Zusammenhang egal ist.)
Der Staat kann und sollte also dieses Lohnbeeinflussungsinstrument
offensiv benutzen, um damit ein auskömmliches Lohnniveau für
Beschäftigte und Unternehmen einzustellen, also die Löhne soweit
anheben, daß keine prekären Arbeitsverhältnisse zu Lasten der
öffentlichen Hand und der Sozialkassen mehr existieren, andererseits
aber auch die Unternehmen überwiegend weiterhin privat organisiert
werden (wobei "privat" natürlich auch AG mit viel Streubesitz, also
Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, bedeuten kann: ein vorstellbares
Modell wäre, daß der Staat an Unternehmen gewisse Minderheiten, z. B.
10 oder 20 %, hält, sich ein ähnlicher Anteil z. B. in einem
gewerkschaftlichen Fonds und der Rest als Arbeitnehmer-Aktien in den
Depots des "Kleinen Manns" befindet), also es quantitativ so steuern,
daß die Unternehmen gewürgt, aber nicht erwürgt werden.
Damit ließe es sich leben: Warum wollen denn die Unternehmer die Löhne
senken? Natürlich, weil sie der Wettbewrb zu Kostensenkungen zwingt.
Dieser verderblichen Abwärtsspirale zu Lasten der Binnenkaufkraft und
der Sozialkassen haben in der Vergangenheit die Tarifverträge der
Einheitsgewerkschaften relativ wirksam Einhalt geboten - ein Tariflohn
ist ein sehr wirksames Instrument zur Sicherung des sozialen Friedens
und der Prosperität einer Volkswirtschaft.
Leider haben die Gewwerkschaften in den letzten Jahrzehnten an Einfluß
verloren und sind nicht mehr in der Lage, durch Flächentarifverträge
die Entstehung von prekären Arbeitsverhältnissen zu verhindern. Es ist
logisch, daß der Staat diese Lücke ausfüllen sollte.
Wofür braucht man eigentlich Unternehmer?
Antwort: Gar nicht. Was man braucht, sind fähige Geschäftsführer, also
Manager, die in der Lage sind, technische Fortschritte (und nicht
bloße Lohndrückerei) zu erzielen sowie kluge kaufmännische
Entscheidungen hinsichtlich Produktportfolio etc. zu treffen. Die
Unternehmer sind bloß dumm und gierig: Sie steuern lediglich Kapital
bei und wollen, daß es sich vermehrt, egal wie. (Um das deutlich zu
machen: das sind Rollen- und Funktionsbeschreibungen - in der Praxis
könnte eine Unternehmerpersönlichkeit, also ein "Kapitalist",
natürlich auch ein Manager sein, wie es in Landwirtschafts- und
Handwerksbetrieben üblich ist, aber eben nicht bei Großunternehmen:
Wenn ich ein paar Automobilaktien im Portfolio habe, bin ich formal
Unternehmer, de facto führen die Geschäfte aber meine Angestellten,
nämlich die von der HV mehrheitlich gewählten Vorstände, und das sit
auch besser so, denn die verstehen hoffentlich mehr vom Geschäft. Daß
die Aktionärsdemokratie nicht funktioniert, also eine Mehrheit der
Aktionäre de facto regelmäßig nicht in der Lage ist, ihre Interessen
gegen "große Adressen" durchzusetzen, ist eine andere Frage - deshalb
wäre es im Falle von Arbeitnehmeraktien auch sinnvoller, wenn deren
Stimmrechte kollektiv durch eine demokratisch gewählte
Anteilseigenervertretung der Arbeitnehmer ausgeübt werden, z. B. durch
einen gewerkschaftlichen Fonds.)
Der Staat (oeder allgemeiner: demokratisch (nicht oligarchisch)
legitimierte Institutionen) sollen keine Unternehmen führen?
Ja, da frage ich doch: Wer denn sonst?
(Das eigentlich Erstaunliche ist, daß das die Bevölkerung nach ca. 500
Jahren neuzeitlichem Kapitalismus noch immer nicht begriffen hat.)
Gruß aus Bremen
Ralf
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R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
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